Die nächste Generation

Für ein nachhaltiges Geschäft muss man für die Zukunft planen. Erfahren Sie, wie wir unser Messerschmiede-Wissen an die nächste Generation weitergeben.

Fabiens Lehrjahre

Alles beginnt mit einer einfachen Schere. Stumpf, praktisch nicht verwendbar. Der Lehrling nimmt die Schere, betrachtet ihre Klingen und hält sie an die Polierscheiben. Er steht erst am Anfang seiner Ausbildung. Seine Handgriffe sind aber schon selbstbewusst und sicher, als er die Klingen schärft.

Grosse Erwartungen liegen auf seinen jungen Schultern. Auch wenn wir pro Jahr sechs Polymechaniker bei Victorinox aufnehmen, ist Fabien der erste Messerschmiedelehrling in 50 Jahren.

Wieso haben wir so lange gewartet? „Das ist eine Frage der Mechanisierung“, erklärt Toni Blaser, Leiter der Lehrlingsabteilung. „Mit mehr und mehr Maschinen brauchten wir weniger ausgebildete Messerschmiede. In den vergangenen Jahren haben wir aber gesehen, dass ein Messerschmied nicht nur für die Fertigung von Spezialmessern und Prototypen praktisch wäre, sondern dass wir als grösster Messerhersteller der Schweiz unseren Teil dazu beitragen müssen, dass dieses ehrwürdige Handwerk erhalten bleibt.“ 

Dieser Meinung ist auch der Verband Schweizer Messerschmiedemeister. Dieser Verband hat sich dafür eingesetzt, dass der Beruf vom Bund anerkannt wird. Sogar die Tochter des ehemaligen Verbandspräsidenten gehört gemeinsam mit Fabien zu den vier Schweizer Messerschmiedelehrlingen im zweiten Jahr ihrer Lehre.
 
„Ich wusste schon früh, dass ich mit meinen Händen arbeiten wollte“, antwortet Fabien auf die Frage, wieso es ihn zur Messerschmiedekunst gezogen habe. „Ich habe viel von meinem Vater gelernt. Er ist sehr begabt in dem Bereich, er hat sogar sein eigenes Haus gebaut. Schon als Kind habe ich mich für Schweizer Taschenmesser interessiert, die ich aus Holz schnitzte.“ Also bewarb er sich bei Victorinox, weil das Unternehmen viele seiner Interessen verband. Laut Toni Blaser wurde er aufgrund seiner Einstellung aufgenommen: „Er zeigte echtes Interesse für das Handwerk. Auch wenn er nicht die besten Noten hatte, schien er von seiner Persönlichkeit her gut ins Team zu passen.“ Nach einer Schnupperwoche, in der sich Lehrling und Arbeitgeber kennenlernten, wurde der vierjährige Lehrlingsvertrag unterzeichnet.
 
Sein Stundenplan ist umfassend. Fabiens Augen glänzen, als er uns erzählt, wie er zum ersten Mal eine Messerklinge gefräst hat oder wie viel er bei der Reparatur von Taschenmessern in der Werkstatt lernt. Er lächelt, wenn er an das Schärfen von Scheren denkt. Diese technisch anspruchsvolle Aufgabe ist das täglich Brot und die Haupteinnahmequelle eines Messerschmieds: „Ich würde sagen, Scheren sind die Königsdisziplin.“

Zu den Highlights seines zweiten Lehrjahrs gehörte der einwöchige Schmiedekurs beim Baseler Schmied Hansjörg Kilchenmann. Hier lernen die Lehrlinge, wie sie ein Messer aus Rohlingen schmieden und den Stahl feilen und formen. Sowohl Rohstahl als auch Rohlinge stammen von Victorinox. Am Ende des Kurses haben die Lehrlinge ihr eigenes Bauernmesser von der Klinge bis zur Schale selbst gefertigt. Im Frühjahr 2019 bekommt Fabien in unserer Fabrik in Ibach seine eigene Schmiede, damit er üben und seine Fähigkeiten perfektionieren kann.

 

Es gibt noch vieles, auf das er sich freuen kann. Im Lehrlingsprogramm lernt er verschiedene Abteilungen kennen: nicht nur die verschiedenen Produktionsabschnitte, sondern auch das Lager und den Kundenservice. „Für mich ist es von grossem Vorteil, meine Lehre bei einem Unternehmen wie Victorinox zu machen“, bestätigt Fabien. „Ein kleineres Unternehmen könnte mir nicht so viele verschiedene Möglichkeiten bieten.“

Seine Ausbildung hat er bisher sehr genossen, aber natürlich gab es auch Hürden zu überwinden: „Ich arbeite gerne mit meinen Händen, aber die Schule ist manchmal eine Herausforderung“, grinst er. Zusätzlich zur praktischen Ausbildung muss Fabien einmal pro Woche gemeinsam mit den Polymechanikern die Schulbank drücken, wo er die Theorie zu der Praxis lernt. Die spezifische Berufskunde für den Messerschmied wird er dann beim Messerschmied Elsener in Rapperswil lernen können. „Wir haben genaue Qualitätsanforderungen – sowohl an die Produkte, die er macht, als auch an ihn als Schüler und Lehrling. Es ist wichtig, Grenzen zu setzen und ihm zu vermitteln, was wir von ihm erwarten“, erklärt Toni Blaser. Fabien kann dem nur zustimmen: „Herr Blaser kann manchmal kritisch sein, aber ich finde es gut, zu wissen, wo ich mich verbessern muss.“

Toni Blaser erklärt die Victorinox Philosophie „fordern durch fördern“: Die Lehrlinge werden unterstützt und bestärkt, damit sie beste Leistung bringen. Stolz schaut er auf Fabien, als dieser seinen langfristigen Plan erklärt: bei Victorinox bleiben und weiterlernen, damit er den angesehenen Titel „Messerschmiedemeister“ erhält. Man sieht, dass sowohl Lehrling als auch Lehrherren viel an Fabiens Erfolg liegt. Gemeinsam versuchen sie zu erraten, welche Überraschungsaufgabe es in der Lehrabschlussprüfung geben wird, die bestimmt, ob Fabien seine Lehre erfolgreich abschliesst. „Ein durchschnittlicher Lehrling kostet Victorinox im Ganzen ca. 130.000 CHF“, so Toni. „Aber natürlich ist das eine Investition in die Zukunft, die wir gerne machen.“