Lorenzi Messer, Zürich
Die Lorenzi Messer GmbH ist Zürich`s einzige verbliebene Messerschmiede und Spezialschleiferei – und seit den Anfängen sind Produkte von Victorinox Bestandteil des Sortiments. Das Unternehmen ist 1927 von Lorenzo Lorenzi und seinem Sohn Carlo gegründet worden und wurde die letzten 45 Jahre von Marco Lorenzi geführt. Ein Familienname, der europaweit für Messer und Schneidwaren steht. Mitte 2014 haben Reto und Cornelia Böhlen den Betrieb übernehmen können.
Die Böhlens sind stolz auf die eindrucksvolle Geschichte, richten sich auf diesem Fundament jedoch konsequent auf Innovation und Nachhaltigkeit aus. Das klingt vertraut? Es sind exakt die Werte, denen wir uns verpflichtet haben, so erklärt es sich fast von selbst, dass wir eng zusammenarbeiten.
Reto Böhlen ist der perfekte Ansprechpartner für einen Blick in die Zukunft. Er hat in 2017 die Präsidentschaft des Verbands Schweizer Messerschmiedemeister von H. P. Klötzli übernommen und ist damit nun in Bezug auf die Entwicklung der Branche in einflussreicher Position.
Für uns ein Grund mehr, konkret nachzufragen, wie die Böhlens die Zukunft der Schweizer Messerschmieden sehen, und so hat unser CEO Carl Elsener das Paar auf ein Gespräch zu diesem Thema eingeladen.
[Carl Elsener] Ich habe mit 20 Jahren bei Victorinox zu arbeiten begonnen, aber das „Messermachen“ liegt mir praktisch im Blut. Ich bin mit unserem Unternehmen aufgewachsen und haben meinem Vater immer über die Schulter geschaut. Sie verfügen ebenfalls über ein enormes Fachwissen; was hat Ihren Erfahrungsschatz massgeblich geprägt?
[Reto & Cornelia Böhlen] Wir kommen eigentlich beide nicht aus der Messerbranche, Cornelia ist gelernte Kinderkrankenschwester und ich habe nach meiner mechanischen Grundausbildung Elektrotechnik studiert. Wir waren aber beide stets sehr engagiert und offen und so ergibt sich über die Jahre automatisch ein gewisser Erfahrungsschatz. Im technischen Bereich prägend waren sicher meine selbständige Tätigkeit als Produkt- und Prozessentwickler in insgesamt vielleicht 30-40 Innovationsprojekten. In der Medizinaltechnik war ein hohes Qualitäts- und Prozessbewusstsein fundamental, in der Energie- und Umwelttechnik habe ich nachhaltig denken gelernt und in eigenen Entwicklungsprojekten habe ich ausgesprochen hartnäckig nach der einfachsten Lösung gesucht. Ein früherer Chef von mir hat einmal gesagt „alles was wir nicht einbauen geht nie kaputt“. Das prägt mich bis heute.
[Carl Elsener] Genau wie Sie haben auch wir uns der Innovation verpflichtet. Was sind die spannendsten Neuerungen, die Ihnen in den letzten Jahren in der Messerindustrie begegnet sind?
[Reto & Cornelia Böhlen] Dazu gehört einerseits sicher das immer breiter werdende Angebot von komplex hergestellten Messern und dass die Kunden bereit sind, auch etwas mehr Geld für gute und schöne Produkte auszugeben. Was früher nur in aufwendiger Handarbeit gefertigt werden konnte, wird heute mit modernen Fertigungsverfahren in grossen Stückzahlen zu verhältnismässig günstigen Preisen hergestellt. Das gilt sowohl für die Klingen als auch für die Griffe der Messer.
Was wir ebenfalls mit Freude beobachten, sind die diversen Klein- und Kleinstbetriebe, welche bemerkenswerte Produkte anbieten und vermarkten und damit dem traditionellen Handwerk zu neuem Schwung verhelfen. Etwas weniger spannend finden wir die diversen Billigst-Internetvertriebe. Da muss sich die Spreu noch vom Weizen trennen. Da wird teilweise kurzfristig und wenig nachhaltig agiert.
[Carl Elsener] Seit geraumer Zeit haben wir unser Produktportfolio diversifiziert und um Reisegepäck, Uhren und Parfum ergänzt, um den emotionalen Erlebniswert unserer Marke zu erweitern. Welche Schritte haben Sie als Zürich´s letzte verbliebene Messerschmiede und Spezialschleiferei vollzogen, um die Zukunftsfähigkeit des Betriebs langfristig zu sichern?
[Reto & Cornelia Böhlen] Bereits in unserem ersten Businessplan haben wir geschrieben, dass wir Zürichs erste Adresse für schöne Messer, einen Top Schleifservice und interessante Zusatzleistungen werden wollen. Vier Faktoren haben wir für unsere Kommunikation als sehr wichtig definiert. Als erstes wollten wir ganz bewusst ein Fachgeschäft nach alter Art bleiben, es soll ein Erlebnis sein in unserem Laden zu schmökern. Eine kompetente und herzliche Beratung gehört in so einem Geschäft selbstverständlich dazu. Als zweites war uns wichtig, die Kombination aus Fachgeschäft und Werkstatt zu erhalten. So erhalten die Kunden auf hohem Niveau alles aus einer Hand und wir erfahren unsererseits in der Praxis, was funktioniert und was nicht. So können wir nachhaltig zu dem stehen was wir verkaufen und wirken sicher und authentisch. Der dritte Punkt war, dass wir uns auf hochwertige Produkte für anspruchsvolle Kunden konzentrieren, wer zu uns kommt soll Geld für etwas Gutes ausgeben wollen. Was wir verkaufen soll den Kunden ans Herz wachsen und lange Freude bereiten. Der vierte Punkt war, dass wir einen wirklich hochwertigen Schleifservice anbieten wollen. Was wir schleifen soll besser funktionieren als neu und auch wieder wie neu aussehen. Der Kunde kauft heute nicht nur Funktion sondern auch Ästhetik. Und die will er sich nicht vom Feldwaldwiesen-Schleifer kaputtmachen lassen.
Mit diesen vier Punkten fahren wir bis heute sehr gut. In einem Internet-Bewertungsportal hat letztes Jahr jemand geschrieben, dass wir ein „Zürcher Juwel“ seien, das hat uns als Berner natürlich sehr gefreut.
Ach ja, unsere Schärfkurse sind übrigens auch ein Riesenerfolg, wir feiern nächstens unseren 1111-ten Teilnehmer…
[Carl Elsener] Was ist Ihre Vision für die Zukunft des Verbands Schweizer Messerschmiedemeister und für den Berufsstand als solches?
[Reto & Cornelia Böhlen] Das kann ich sehr konkret formulieren. Wir hören in unserem Geschäft von Neukunden viel zu oft „ich habe gar nicht gewusst, dass es das noch gibt“... DAS müssen wir ändern! Der Beruf des Messerschmieds ist ein wertvolles, anspruchsvolles altes Handwerk welches es verdient, wieder bekannter zu werden. Wir machen in unserer schnelllebigen Wegwerfgesellschaft, von welcher eigentlich jedermann klar ist dass da langfristig etwas nicht stimmen kann, etwas sehr Nachhaltiges und dürften darauf ruhig etwas stolz sein.
Bei den Schreinermeistern gibt es hierzu ein wunderbares Beispiel. Sie haben es geschafft, sich mit ihrer Kampagne „der Schreiner, ihr Macher“ neben Anbietern wie Ikea, Interio, Micasa, etc. wieder stark und sicher im Markt zu positionieren. Es wäre schön, wenn uns auch etwas Ähnliches gelingen würde, wenn auch in einem etwas bescheideneren Rahmen…